Erinnerungen an grüne und exotische Ferien

Mein Arbeitsplatz zu Hause: Das Wohnzimmer der Unterkunft.

Gestern Montag: Ich stehe um 9.50 Uhr auf. Weil ich aufgrund meiner Ausbildung am MAZ in einem 80-Prozent-Pensum arbeite, habe ich montags – sofern keinen Schultag – frei.  Zuerst: Duschen. Jemand hat das hintere Schleusentor, direkt bei den Duschen, geöffnet. Der Betonboden unter meinen nackten Füssen ist kalt. In der Dusche nicht: Hier hat’s einen Holzrost. Das heisse Wasser von oben fühlt sich grossartig an. Danach setze mich mit dem Macbook ins Wohnzimmer. Es ist 10.30 Uhr. Lasha ist als einziger der Bewohner wach. Er bringt mir einen Kaffee. Und stellt den Fernseher ein: RTL2, Frauentausch. «Andere nicht aufstehen, muss Fernseher laut machen», erklärt Lasha. Quasi Weckfernsehen.

Ein Mitarbeiter des Sicherheitsverbunds Region Wil, dem Eigentümer der Zivilschutzanlage, betritt das Wohnzimmer. Er hat soeben die Fäkaliengrube kontrolliert. Da gebe es unbekanntes Ungezifer, er habe spritzen müssen. Zweimal die Woche kommt er vorbei, um die Entfeuchter, die Frischluftzufuhr und die Hydrometer-Messwerte in der Unterkunft zu kontrollieren. Für ihn besonders wichtig: Die Sauberkeit. Wenn die Unterkunft nicht sauber und ordentlich gehalten wird, können Probleme mit den technischen Anlagen auftauchen. Hier werde ich an meine Zeit in der Durchdiener-RS erinnert: Zuständig für die Sauberkeit ist der Zimmerchef, er rotiert unter den Bewohnern. Mithelfen sollten aber alle – und das klappt, manchmal gut, manchmal weniger.

Zweites Spannungsfeld: Die Stromversorgung. Zeitweise seien zu viele Mobiltelefone und Laptops gleichzeitig am Netz, «denn hauts halt d’Sicherig wieder use». Die Bewohner hätten dann einfach den Entfeuchter ausgesteckt – «das ist natürlich nicht die Idee». Im Moment laufe es aber gut. Ein grösserer Entfeuchter halte die Werte in einem gesunden Rahmen. Und ausgesteckt wurde schon lange nicht mehr.

Im Fernsehen werden die Frauen wieder zurückgetauscht. Ich kann mich nicht auf meine Arbeit konzentrieren und schalte um: Thurvision, Standbild, Radio Swisspop. Es wird Mittag, nach und nach stehen meine Mitbewohner auf. Jetzt auch der erste Tamile. Nach fünf Minuten schmeckt’s nach Räucherstäbchen. Jetzt erinnere ich mich nicht mehr an den Militärdienst, sondern an die Ferien in Malaysia.

 

Geschrieben am: 13.11.2012
Kommentare: 1 Kommentar.
Comments
Comment from N. A. - 13. November 2012 at 17:56

Interessantes Projekt!
Frage mich nur, ob es genügend der Asylsuchenden zeigt – immerhin arbeitest Du noch 80%, Deine neuen Mitbewohner nicht. Was mich interessieren würde: was machen sie mit ihrer restilchen Zeit? Und: was meinen sie zu kriminellen Asylsuchenden? Wie würden sie damit umgehen, wenn sie das in ihrem Heimatland entscheiden könnten? Vielleicht kannst/willst du sie das fragen. Würde mich wirklich Wunder nehmen.
Freue mich, weiterzulesen. Mfg