Zapzarap und Drogen gehen gar nicht

Wenn man in einer WG wohnt, interessiert das niemanden. Wenn man aber in einer Asylunterkunft wohnt, viele. Täglich werde ich gefragt: Geht’s dir denn gut? Ist das nicht schlimm? Hier folgt Teil zwei der Antworten auf häufige Leserfragen.

Was machen meine Mitbewohner den ganzen Tag? Chai-Tee kochen gehört auch dazu.

 

Ist es nicht wahnsinnig anstrengend, mit Asylsuchenden zu leben?
Eine pauschale Antwort auf diese Frage gibt’s nicht. Ich erlebe das, was ich in meiner Unterkunft ereignet – und das ist zwar ein bisschen, aber nicht wahnsinnig anstrengend. Es sind Kleinigkeiten, die zwischenzeitlich nerven. Etwa, wenn der Fernseher bis in die frühen Morgenstunden laut läuft. Oder wenn die Waschmaschine besetzt ist, wenn man gerne gewaschen hätte. Oder wenn morgens um 5 Uhr aus unerfindlichen Gründen ein Teller zu Bruch geht. Dann denkt man sich: Das müsste nicht sein. Aber solche und ähnliche Probleme, abgesehen mal vom weckenden Teller, habe ich alle auch schon in WGs gehabt. Relativierend muss erwähnt werden, dass die Sitten in kantonalen und vor allem nationalen Durchgangszentren nach den Erzählungen meiner Mitbewohner um einiges rauher sein sollen. Das macht Sinn, sind dort die Bewohnerinnen und Bewohner doch zumeist noch nicht lange in der Schweiz, sprechen noch weniger Deutsch, stammen aus einer viel grösseren Zahl verschiedener Kontinente und Nationen. Interessant: Auch meine Mitbewohner sprechen von gewissen Problemländern – und die decken sich mit denen, die auch der Schweizer als solche wahrnimmt, zum Beispiel Nigeria oder Eritrea.

Geht das gut mit verschiedenen Religionen?
Ja, geht’s. Obwohl die Verteilung breiter kaum sein könnte: Ich bin ein evangelischer Christ, Lasha ein orthodoxer, die beiden Hamids schiitische Muslime, Rahmat ein sunnitischer und die drei Tamilen Hindus. Beeindruckend am Ganzen: Alle repsektieren die Religion des andern. Der Gläubigste ist Rahmat. Er betet im Schlafraum auf dem Teppich in Richtung Mekka, während aus dem Fernseher im Wohnzimmer sprituelle Hindu-Gesänge erklingen. Die zwei Schiiten nehmen es mit ihrer Religion nicht ganz so eng. Ich habe sie noch nie beten gesehen. Hamid liest sogar ab und an in einer persischen Bibel und sagt: «Gott ist überall der gleiche, egal mit welchem Namen.»

Was machen jene Mitbewohner, die nicht arbeiten, den ganzen Tag hindurch?
Sie lernen Deutsch, kochen, spielen Fussball, essen, kaufen ein, reden, schauen Fernsehen, schlafen, surfen im Internet, putzen, hören Musik, spazieren, besuchen Landsleute, duschen, spielen Fussball.

Was meinen deine Mitbewohner zu kriminellen Asylsuchenden?
Nur eines: Geht gar nicht! Wer «Zapzarap macht», also etwas klaut, gewalttätig wird oder etwas mit Drogen zu tun hat, hat es nicht verdient, in der Schweiz zu sein – so ihre Meinung. «Leute die machen Problem muss schnell weg. Nicht gut für andere anständige Leute», sagt etwa Hamid Mohammadi. Lasha sieht das gleich: «In der Schweiz mit Zapazarap oder Drogen keine Chance.» Es gäbe eine Vielzahl Georgier, die bereits drogensüchtig in die Schweiz kämen. «Diese ist peinlich! Muss sofort machen zurück.»

Wie steht’s mit Alkohl in der Unterkunft?
Am Wochenende gibt’s mal eine Flasche Rotwein oder eine Dose Bier. Nur die Hindus und der Orthodoxe trinken dann mit, die Muslime nie. Die Aufsicht der Unterkunft sagt: So lange wir keine Probleme haben, tolererien wir das. Wenn einer zu tief ins Glas schaut und nicht mehr weiss, wie er sich zu benehmen hat, hat das Konsequenzen. So geschehen vergangene Woche: Einem der Tamilen wird für ein Monat das Taschengeld gekürzt.

Wie repräsentativ ist die Belegung der Unterkunft mit «nur» acht Männern?
Ich lebe nicht in einem Asylzentrum, einem nationalen oder kantonalen Durchgangszentrum, sondern in einer gemeindeeigenen Unterkunft. Der Kanton Thurgau hat die acht Männer hierher zugeteilt, explizit den Gemeinden Rickenbach, Wilen und Wuppenau. Weil keine der drei Gemeinden auf ihrem Gebiet Wohnungen fand – alle angefragten Vermieter lehnten aufgrund schlechter Erfahrungen in den Achtziger- und Neunzigerjahren die Unterbringung Asylsuchender kategorisch ab – wurde diese Kollektivunterkunft eingerichtet. Aus der Art der Unterbringung, hier ein Zivilschutzanlage, ergibt sich dann die geschlechtliche Zusammensetzung. Hingegen nehmen Gemeinden, die beispielsweise nur Wohnungen zur Verfügung haben, eher Familien auf.

Geschrieben am: 04.12.2012
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