Aus Appenzell, AI wird Kawmorda, Afghanistan

Asylsuchende können arbeiten, wenn sie wollen – und wenn sie die entsprechende Bewilligung erhalten. Einen Job zu finden, ist aber nicht ganz einfach. Hamid aus Afghanistan probiert’s.

Für den Schweizer ist klar: Arbeit ist etwas wert. Bei den Asylsuchenden ist das nicht anders. Für die Mitarbeit im gemeindeeigenen Beschäftigungsprogramm erhalten sie beispielsweise 5 Franken Integrationszulage pro gearbeitete Stunde. Die Verpflegung erhalten sie in Naturalform – sie kochen selbst. Und das Sozialamt zahlt ein Taschengeld von 3 Franken pro Tag und Person. Für Sommer- und Winterkleider gibt’s je 200 Franken, pro Person und pro halbem Jahr.

Die meisten Asylsuchenden aber wollen ihr eigenes Geld verdienen, wollen arbeiten. Mit einer entsprechenden Bewilligung dürfen sie das. Hamid Mohammadi hat diese Woche begonnen, sich mit der Stellensuche zu beschäftigen. Aufgabe Nummer 1: Schreibe einen Lebenslauf. Das ist für ihn gar nicht so einfach, ist er doch des Deutschs noch nicht völlig mächtig. Hamid fragte mich: «Ich brauche Lebenslauf. Du kannst mir helfen?»

Ich konnte. Wir hockten uns an den Esstisch, mit Laptop und Ausländerausweis. Ich suchte auf meiner Festplatte nach meinem eigenen Curriculum Vitae. Und staunte: Datei zuletzt bearbeitet am 22.12.2008. Das war, als ich mich für das Praktikum bei der Wiler Zeitung beworben hatte. Dann: Datei öffnen, sichern unter «Lebenslauf-Mohammadi-Hamid.doc»

Wir passten alles an. Aus 8.8.88 wurde 1.1.94. Aus evangelisch wurde Muslim, Schiit. Aus Appenzell, AI, Kawmorda, Afghanistan. Zwei Abschnitte mussten wir komplett löschen: «Diplome» und «Schulen». Da begreife ich: Hamid wird seinen Lebenslauf wohl mehr als einmal drucken müssen. Doch daran denkt er nicht. Für ihn zählt nur eins: Möglichst schnell eine Anstellung finden, eigenes Geld verdienen. Womit, das ist sekundär. «Mit Job ich lerne richtig Deutsch», sagt Hamid. Und: «Ohne Deutsch isch schwierig, weisst du.»

Ich weiss es nicht, Deutsch ist meine Muttersprache. Aber jetzt ich kann ich es mir vorstellen.

Geschrieben am: 23.11.2012
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