Die Decke ist noch nicht eingestürzt

Wenn man in einer WG wohnt, interessiert das niemanden. Wenn man aber in einer Asylunterkunft wohnt, viele. Täglich werde ich gefragt: Geht’s dir denn gut? Ist das nicht schlimm? Zeit, einige Leserfragen zu beantworten.

Links im Zimmer hat’s Platz für Habseligkeiten. Rechts schlafen vier Personen auf drei Etagen.
Platz böte der Massenschlag für deren 24.

Was gibt’s zu essen? Kann man das überhaupt essen?
Ja, kann man. Und es mundet. Zwei Beispiele: Afghanisches Kado, ein Eintopf aus Zuchetti, Tomaten, Zwiebeln, viel Öl und Gewürzen, dazu selbstgemachtes Naan-Brot. Oder Poulet nach tamilischer Art, mit noch etwas mehr Gewürzen, aber immer noch geniessbar scharf (meine Mitbewohner nehmen Rücksicht auf empfindliche Schweizer Geschmacksnerven!), ebenfalls mit Fladenbrot oder Reis. Beides schmeckt vorzüglich.

Versteht ihr euch denn?
Ja, tun wir. Sogar sehr gut. Mit dem Georgier Lasha, den zwei Hamids aus Afghanistan und Ruppan aus Sri Lanka spreche ich Deutsch. Mit Rahmat aus Afghanistan und den Tamilen Naathushan*, Sriparathithasan und Krishna spreche ich hauptsächlich Englisch. Um sie beim Deutschlernen aber zu unterstützen, sage ich alles, was ich zu sagen habe, erst einmal in Deutsch. Wenn sie’s dann nicht verstehen, wiederhole ich es in Englisch. Dass wir uns gut verstehen, bezieht sich übrigens nicht nur auf die Sprache: Mittlerweile  – ich wohne jetzt drei Wochen mit ihnen zusammen – hat sich mit den meisten so etwas wie Freundschaft entwickelt.

Ist es nicht wahnsinnig ungemütlich im Bunker?
Nein, das wäre übertriebnen. Klar: Statt auf einem Bettrost im Einzelzimmer liege ich auf einer Pressholzplatte, mit drei Personen im gleichen Raum. Allerdings in einem Raum, der 24 Personen Platz böte. Da hat’s genug Platz für Kleider, Taschen, Laptop und andere Habseligkeiten. Klar: Wenn ich im Bett liege, beginnt 50 Zentimeter über meinem Kopf die Betondecke. Sie ist aber pastelllgrün gestrichen und deshalb gar nicht so schrecklich anzuschauen. Und eingestürzt ist sie bis heute auch nicht. Wenn sie mir dann doch mal zu nahe kommt, kann ich mich im Wohnzimmer auf einem der vier Sofas breitmachen.

Ist es nicht wahnsinnig ungesund, im Bunker zu leben?
Ich bin kein Arzt, also kann ich das nicht professionell beurteilen. Jedenfalls leide ich bis heute noch unter nichts, unter dem ich nicht schon vorher gelitten hätte (z. B. Asthma aufgrund Hausstauballergie – wobei ich den Asthmaspray erst einmal benutzen musste). Ich fühle mich gesund. Auch von den Bewohnern war in den vergangenen zwei Jahren keiner ernsthaft krank. Abgesehen von einer Erkältung vielleicht. Auch habe ich nicht das Gefühl, dass mir die Zivilschutzanlage auf die Psyche schlägt. Allerdings muss man dabei zweierlei bedenken: Ich bin nur ein Monat hier. Und im Gegensatz zu meinen Mitbewohnern jeden Tag unterwegs, am Arbeiten oder an der Journalistenschule. Sie arbeiten – ausser Ruppan, der einen Job hat – nur einen Tag in der Woche (darüber habe ich berichtet). Aber auch sie müssen und sollen nicht den ganzen Tag unter der Erde verbringen. Direkt vor ihrer Haus-, äh, Bunkertür wurde von Beginn weg ein Wohncontainer installiert. Der bietet auch im Winter Tageslicht an der Wärme. Und am Mittag wird jeweils gemeinsam mit einer Betreuerin eingekauft und entweder in der Küche der Primarschule oder jener des Kirchgemeindehauses in Rickenbach gekocht. Das sorgt für Abwechlsung und Frischluft.

(*Name geändert)

Weitere Fragen werden in einem zweiten Teil beantwortet.

 

 

 

Geschrieben am: 27.11.2012
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