«Heute ist eine gute Tag»

Lasha hält sich auf unabhängigen Newsportalen und Youtube auf dem Laufenden.

Es ist 00.45 Uhr, Mittwochnacht. Ich bin gerade nach Hause gekommen. Aus der geplanten Plauderstunde mit meiner ehemaligen Mitbewohnerin sind zuerst zwei, dann drei und schliesslich vier Plauderstunden geworden. Ich habe soeben etwas genommen, das ich sonst unter der Woche nie nehme: Den letzten Zug. Ich ziehe meine Jacke aus. Im Eingang zur Zivilschutzanlage geht das Licht an – jemand ist noch wach.

Lasha aus Georgien liegt auf dem Bett, das Laptop auf dem Bauch. Er strahlt mich an und sagt: «Heute ist eine gute Tag». Er habe mir doch gestern vom umstrittenen Präsidenten erzählt. Heute nun, sagt er, «es ist etwas passiert»: Der ehemalige Minister für Strafvollzug sei festgenommen worden. Er erzählt mir, dass Tausende eingesperrt würden, teils grundlos. Er hat recht: Das Land hat gemäss dem World Prison Population Report die vierthöchste Inhaftierungsrate der Welt – nach den USA, Ruanda und dem Nachbarland Russland. 2011 waren von 100’000 Einwohnern 547 inhaftiert (total 23’995). Zum Vergleich: In der Schweiz waren es 79 (6181).

Lasha sagt, er sei selbst nie im Gefängnis gewesen, habe aber Freunde hinter georgischen Gittern. Er müsse wissen, was in seinem Land geschehe. Auf regierungsunabhängigen Newsportalen und über Youtube hält er sich auf dem Laufenden. Er hofft auf die Wahlen im Frühling, hofft auf Besserung. Doch er weiss: «Opposition keine Chance.» Junge Leute wie er verlassen ihr Heimatland, nach Russland oder Westeuropa. Lasha hat das auch getan. Er war lange unterwegs, kam über die Slowakei, Deutschland, Österreich und Italien in die Schweiz. Er weiss nicht, ob er hier bleiben kann, oder ob er als Dublin-Fall irgendwann ins Erstantragsland Slowenien zurück muss.

Wann der Entscheid kommt, das weiss er nicht – dafür, was er bis dahin tun will: «Schwizerdütsch lernen.»

Geschrieben am: 09.11.2012
Kommentare: 4 Kommentare.
Comments
Comment from Rico - 10. November 2012 at 16:10

Der Begriff des Erstantragsland halte ich für verwirrend, auch wenn er offiziell korrekt ist: „Die Dublin-II-Verordnung sieht vor, dass Asylanträge im Grundsatz dort bearbeitet werden, wo Migranten zum ersten Mal das Territorium des Schengen/Dublin-Raums betreten. Reisen die Migranten in andere Mitgliedstaaten weiter, so hatten diese das Recht, die Migranten in das so genannte Erstantragsland rückzuführen.“ (http://www.swissinfo.ch/ger/specials/schweiz_schengen/Asylpolitik_zwischen_Schengen_und_Menschenrecht_.html?cid=29316278)

Comment from Klaus - 13. November 2012 at 00:33

und wenn der gute Mann genau weiss, dass er auf Grund bestehender Gesetze und internationaler Vereinbarungen hier gar keine Chance auf Asyl hat, dann Frage ich mich, weshalb er denn noch hier ist.
Wenn die Schweizer Behörden wissen, dass der gute Mann keine Chance darauf hat, dass seinem Antrag statt gegeben wird, weshalb haben sie ihn denn nicht schon lange zurück geschafft?
DAS sind die Fragen die mich umtreiben wenn ich so was lese!

Comment from nafasgul - 13. November 2012 at 01:25

hi mario, super sache was du durchziehst!!!
afghanistan hat leckere spezialitaeten, die sollen dr unbedingt qabulipalaw zubereiten!!!!!

Comment from Fritz - 14. November 2012 at 04:09

@Mario finde ich eine tolle Idee und eine interessante Sache. Ich wünsche dir eine erkenntnisreiche, gute Zeit.

@Klaus Nun mal schön langsam mein guter Freund. Also ich kann dir da vielleicht weiterhelfen. Schau mal du bist doch sicher auch ein menschliches Wesen oder? Dann stell dir doch einfach mal vor du wärst er. Du lebst in Georgien einem Land das bissl anders ist als die Schweiz. Wo, ich glaube, vor gar nicht allzu langer Zeit, die Russische Armee zum Tee vorbeikam (die liessen sich übrigens auch nicht gross von Internationalen Abkommen und bestehenden Gesetzen beeindrucken die du da anführst); wie ich hörte ging dabei prompt auch die eine oder andere Teetasse kaputt. Dann denke ich bist du ja sicher schon auch ein paar Jährchen mittlerweile auf diesem schön komplizierten Planeten. Vielleicht hast du ja, die eine oder andere komplizierte Situation in deinem Leben auch schon erlebt und kannst es zumindest ein bisschen nachvollziehen, dass nicht immer alles so nach dem Drehbuch läuft wie du es gerne hättest. In diesen Situationen sollte man vielleicht dann genauer hinschauen und zuerst mal sich informieren was da eigentlich genau abgeht auf dieser Welt und dann könnte man ja vielleicht sogar auf die Idee kommen das da gewisse Dinge nicht stimmen und gelöst werden sollten etc. etc. Aber jemand der nur darauf Bedacht ist, dass es ihm selbst gut gehen möge, auch wenn das hiesse, dass es anderen deswegen schlechter gehen müsste; so ein jemand denkt halt eben nur an sein eigenes Wohl und sieht nicht den grossen Zusammenhang. Die Welt ist eine Kugel und Katastrophen, Kriege, die Gier und Ignorranz der Menschen richten sich nicht nach den, für dich wohl in Stein gemeisselten, ewiggültigen unveränderlichen unverbesserbaren Internatiolen Abkommen und bestehenden Gesetzen. Raketen und Bomben werden beim Überfliegen der Grenzen nicht nach Pässen und Visa geprüft die kommen einfach ohne zu klopfen. Vielleicht sollte man die Zivilbevölkerung von Afghanistan oder Irak mal fragen wie sie das so sehen mit den Internationalen Abkommen Schade nur das in letzter Zeit soviele von denen diese Welt verlassen mussten und man sie nicht mehr fragen kann. Oder stellen wir uns doch noch ein bisschen dümmer und naiver und fragen uns wie Handgranaten aus dem einen Land über irgendwelche Emirate nach Syrien kommen? Wenn dort die Leute sterben wie die Fliegen fragst du dich dann auch wie das möglich ist, trotz Internationaler Abkommen (Menschenrechte etc.) und bestehender Gesetze. Ich würde mich mal ein bisschen umschauen was in dieser Welt so alles abgeht und dann wirst du langsam aufhören dich solche Sachen zu fragen und du wirst endlich anfangen die wirklich wichtigen Fragen zu stellen, vielleicht?